VERANSTALTUNGEN

Hintergrund zur Namensgeschichte des Instituts

Der Name „Annelise Heigl- Evers“ ist mit der Geschichte des Institutes eng verbunden und soll zum Verständnis des Institutes in seiner Bedeutung dargestellt werden.

Anfang der 90er Jahre wurde das Institut als tiefenpsychologisches und psychoanalytisches Institut von Psychologen und Ärzten gegründet und aufgebaut. Später kam die Systemische Therapie und die Verhaltenstherapie dazu.

An der Ausgestaltung und Entwicklung des Institutes hatten Frau Prof. Dr. med. Annelise Heigl-Evers zusammen mit ihrem Mann Prof. Dr. med. Franz Heigl erheblichen Anteil.

Aus dieser gemeinsamen Arbeit u.a. auch am Psychotherapeutengesetz entwickelte sich über die gleichberechtigte Kollegialität eine zuletzt freundschaftliche Verbundenheit, die dazu führte, dass Prof. Dr. med. Franz Heigl Ehrenmitglied des Instituts wurde und Prof. Dr. med. Annelise Heigl-Evers die Erlaubnis erteilte, dass das Institut ihren Namen tragen darf.

In Dankbarkeit und schöner Erinnerung an gemeinsame und gute Zeiten, ist Frau Prof. Dr. med. Annelise Heigl- Evers das nachfolgende Memoriam gewidmet.

Nicht zu vergessen sei an dieser Stelle, dass das Institut, und dies wäre auch im Sinne von Frau Prof. Dr. med. Annelise Heigl-Evers gewesen, drei weitere Ehrenmitglieder hat: 

Eröffnungsrede vom 06.10.1993

Ansprache anlässlich des Rhein-Eifel-Instituts für Psychotherapie und Psychoanalyse in Sinzig am 06.10.1993, zur Eröffnung des 1. Studiengangs zum Zusatztitel "Psychoanalyse"

Prof. Dr. med Annelise Heigl-Evers 
Psychoanalytikerin DPG / DGPT

Mir ist die Ehre und das Vergnügen zuteil geworden, bei diesem festlichen Anlass ein paar Worte an Sie zu richten.

Was ist das für ein Anlass? Was geschieht hier? In einer Zeit tiefgreifender Veränderungen im Gesundheitswesen unserer res puplica, in einer Entwicklungsphase, die nicht frei ist von Turbolenzen, die wir alle zu spüren bekommen, wird hier in Sinzig ein neuer Anfang gemacht, ein Neubeginn in einem bestimmten, nicht sehr breiten, aber auch nicht geraden schmalen Sektor des Gesundheitssystems. Es handelt sich um den Sektor Psychotherapie mit der Akzentuierung einer an der Psychoanalyse orientierten Psychotherapie, also um eine Ausgestaltung der »sprechenden Medizin«, wie unsere Gesundheitspolitiker neuerdings gerne sagen. Es soll hier also jungen Ärzten und Psychologen, Psychologen und Ärzten vermittelt werden, wie Sie Patienten mit seelischen bedingten Störungen und Erkrankungen so ansprechen. So mit ihnen reden können, daß es zu heilender Veränderungen kommt. Es soll speziell um jene Form, um jene Art und Weise des Sprechens mit dem Patienten gehen, wie sie von der Psychoanalyse gelehrt, von ihr methodisch eingesetzt und theoretisch begründet wird.

Die Psychoanalyse vermittelt sich primär und vornehmlich über die Sprache; Sie ist eine späte säkularisierte Hervorbringung einer kulturell-religiösen Tradition, nämlich der jüdischen, für die die Sprache immer schon ein entscheidendes Medium der Kommunikation und der Überlieferung war. Das Heiligtum des Normadenvolkes Israel, hat dieses Volk seinem Gott, dem Gott Jahve verband, war geschriebene Sprache, waren Schriftrollen; sie enthielten die Gesetze , auf deren Befolgung sich Israel gegenüber seinem Gott verpflichtet hatte; sie waren verwahrt in einer Lade, einer tragbaren Truhe, die dieses Volk auf seinen Wanderungen stets mit sich führte.

Der Stifter der Psychoanalyse, Sigmund Freud, trotz aller aufklärerischen Orientierung seiner kulturellen Tradition doch immer verbunden, war ein Mann der Sprache; daß er in dieser Hinsicht hochbegabt war, hatte man ihm schon bei seinem Abitur bestätigt; sein Deutschlehrer rühmte ihm den von Herder sogenannten idiotischen Stil nach. Sein wissenschaftliches Werk ist in seiner sprachlichen Gestaltung meisterhaft, so daß es niemanden verwunderte, als er im Jahre 1930 den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt erhielt. Eine entscheidende Bedeutung hat die Sprache auch für die von Freud entwickelte Methode, die Psychanalyse, die talking cure, wie er sie einmal nannte. Die talking cure, das heilende Sprechen! - Es geht darum, die Wahrheit der Seele durch Sprechen zu ergründen; Jakob Moreno, ein gleichfalls genialer Psychtherapeut und Erfinder des Psychodramas, grenzte seine Methode gegen die Psychoanalyse ab, indem er sagte, daß sie die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründe.

Wie nun versuchte Freud in Anwendung seiner auf die Behandlung seelischer Störung ausgerichteten Methode die Sprache, das Sprechen zu einem heilenden Vollzug werden zu lassen? Er regte seine Patienten an, die im alltäglichen Sprechen bei weitem nicht ausgechöpften Reservoire sprachlicher Mitteilbarkeit in der Behandlung zu nutzen; er regte sie an, sich von den engen logischen Verknüpfungen alltagssprachlichen Mitteilens zu lösen und sich - und das ist und bleibt zweifellos immer ein Wagnis - alle nur faßbaren sprachlichen Einfällen, Assoziationen und Phantasien zu überlassen, die im therapeutischen Prozeß, in der therapeutischen Beziehung auftauchen. Er selbst, der Therapeut, machte seinen eigenen Erlebnisraum diesen Mitteilungen dadurch zugänglich, daß er sich in einem Zustand gleichschwebender Aufmerksamkeit versetzte, eine Einstellung, für die es nichts Vorangiges und nichts Nebenrangiges gab, in dem alles, was immer der Patient äußerte, von Bedeutung war, für die jeder Hauch, jeder Seufzer, jede Nuance, natürlich auch jedes Schweigen, jede Sprachlosigkeit zu beachten war. Der Therapeut horcht, lauscht in das Gesprochene hinein, in die sprachlichen Äußerungen des Patienten, in seine eigenen Reaktionen und Resonanzen auf das Mitgeteilte, er horcht" mit dem dritten Ohr", wieTeodor Reik es ausgedrückt hat.

Was ist es, das er auf diese Weise erspüren, erforschen, erkennen will? Es ist das vom Patienten Unausgeprochene, das von früh an der sprachlichen Mitteilung Entzogene, das in den freien Assoziationen der talking cure gleich wohl aufschimmert, sich in vagen Konturen abzeichnet, sich in Grenzen durchsetzt, ohne daß der Patient dessen gewahr würde. 
Beide an der Therapie Beteiligten, der Patient und der Therapeut, sind auf der Suche nach der verborgenen Wahrheit der Seele. Diese Suche, dieses Erspüren, Erforschen ist nicht frei von detektivischen Elementen, denn die verborgene Wahrheit wird der Mitteilung auf höchst komplizierte, raffinierte Weise unbewußt entzogen, muss ihr entzogen werden, weil es darum geht, dem Träger dieser Wahrheit jenes Unlustvolle zu ersparen, das die Konfrontation mit ihr bei Ihm auslösen würde. Unerträglich unlustvoll ist die verborgene Wahrheit deswegen, weil es sich dabei um Wünsche handelt, Wünsche bestimmter Art die für deas heranwachsende Menschenwesen mit den Beziehungen zu den wichtigen Anderen einer Frühzeit nicht verträglich waren, diese Beziehungen gefärdet hätten, weswegen das Individuum unbewußt, erfindungsreich, Abwehrmaßnahmen gegen diese Wünsche entwickelte, um seine wichtigen Beziehungen nicht zu gefährden. 
Im Verlauf des theapeutischen Prozesses wird der Partner des Patienten, der Therapeut erlebbar als eine jener früheren Bezugspersonen, die bestimmte Wünsche frustrierten, so daß sie mit der Beziehung nicht mehr vereinbar erschienen. Das Erleben der Vereinbarkeit solcher Wünsche mit der Beziehung, jetzt aktuell in der Therapie, ist eines der angestrebten Ziele. Dabei ist es notwendig, daß solche Wünsche in der therapeutischen Beziehung zunächst einen unbehinderten Entfaltungsraum finden; andererseits bedürfen sie freilich der Durcharbeitung und Umgestaltung, so daß tragfähige Kompromisse zwischen Wunsch und Abwehr, zwischen Ich und Du, zwischen Innenwelt und Aussenwelt entwickelt werden können. Sprache bedarf auch deswegen einer besonderen Aufmerksamkeit, als sie stets auch Gefühle transportiert, insbesondere Spuren jener Gefühle, die im Dienst der Erhaltung von Beziehungen schon früh aus dem vollen Erleben ausgeschaltet werden mussten und seit dem einer angstfreien Expression nicht mehr zugänglich sind.

Das ist die therapeutische Kunst, um deren Vermittlung es im heute eröffneten Institut Rhein-Eifel gehen soll. Es geht um eine spezielle Erforschung verborgener seelischer Wahrheit, der des Patienten, und auch der des Therapeuten.

Die psychologische Neugier, die den Therapeuten zur Erforschung des Verborgenen antreibt, stellt sich demnach als liebe zur Wahrheit und als Suche danach dar. Der Psychoanalytiker Heinz Kohut zitiert dazu aus einem Brief Anna Freuds an den 14 jährigen Sohn eines Psychoanalytikers, der, bewegt von dem Wunsch, selbst auch Psychoanalytiker zu werden, sich ratsuchend an sie gewandt hatte. Als erste und wichtigste Eigenschaft des Psychoanalytikers nennt Anna Freud in diesem Brief die Liebe zur Wahrheit, zur wissenschaftlichen wie zur persönlichen; sie fügt hinzu, daß dem Analytiker diese Wertschätzung der Wahrheit mehr bedeuten solle als irgendeine Unbequemlichkeit, die bei der Konfrontation mit unangenehmen Faktoren, sei es in der äusseren Welt oder im eigenen Inneren, auftreten könnte. – Vielleicht könnte diese Äusserung der bedeutenden Tochter eines großen Mannes für das Institut Rhein-Eifel ein Motto sein!

Vorgetragen von Prof. Dr. med. Franz Heigl

Einverständniserklärung von Annelise Heigl-Evers